Irgendwas für Harry Potter Fans

Im Kulturkaufhaus gewesen. Versucht, Bücher zu kaufen. Nach zwei Stunden stand ich mit zwei Kinderbüchern für Neffe und Nichte, einem Notizbüchlein und irgendeinem Roman, sowie einer nichtmal halbwegs erledigten Wunscheinkaufsliste in der langen Kassenschlange und habe beim Warten die im Laden nicht vorrätigen Bücher über mein Handy im Internet gekauft. Aber das ist uninteressant. Dass das vorweihnachtliche Einkaufsvergnügen gewisse masochistische Züge hat, ist beileibe nichts Neues.

In der Kinderbuchabteilung saß ich eine Weile überfordert da und beobachtete das Treiben. Entweder richten Kunden einen ganz bestimmte Wunsch an die Buchhändlerin. Dann verneint sie freundlich, „oh, das tut mir Leid, da habe ich vorhin das letzte Exemplar verkauft. Das kann ich ihnen aber ganz schnell bestellen …“. Ich vermute, tatsächlich stehen noch Exemplare im Regal. Eine Bestellung erhöht aber den Kundenverkehr und wer zweimal in den Laden kommt, kauft mehr.
Oder aber die andere Variante: Kunde hat gar keine Idee, möchte sich auch nicht lange inspirieren lassen will nur „irgendwas für einen zwölfjährigen Harry Potter Fan“. Eine doch recht spitze Zielgruppeneinkreisung, mit der man ganz bestimmt das richtige Geschenk finden wird, gibt es doch kaum Kinder, die Harry Potter Fans sind. Aber die Buchhändlerin natürlich Profi, „da haben wir was ganz Besonderes für Sie. Schauen Sie mal hier, wird von sehr, sehr vielen Kunden gern genommen …“ – unschlagbares Verkaufsargument.

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Buchhändler müsste man sein. Da darf man seinen latenten Sadismus noch ungestraft ausleben. Die Kunden danken es einem auch noch. Aber ich bin ja selber mit meinen Geschenkideen nicht besser dran. Was weiss ich schon von den Interessen meines Neffen? Autos, Baufahrzeuge, bisschen verträumt ist er. Und seine jüngere Schwester mag Pferde. Auch gut. Aber welche Bücher sie schon haben und mögen, weiss ich nicht. Und ob er schon zu alt für dies, sie noch zu jung für jenes ist? Schwierige Abwägungen. Warum werden eigentlich Kinder- und Jugendbücher nicht einheitlich mit Altersfreigaben versehen, so per Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Zack! Alles wäre gelöst. Dann könnte man immer was finden für die nächsthöhere Altersgruppe eines Kindes. Soll ja da auch intellektuell „reinwachsen“ in so ein Buch. Man will ja fördern. Soll ja prägen. Wenn man es schon nicht schafft, sich einmal im Monat für ein paar Stunden mit dem Kind auseinander zu setzten.

Vielleicht werden Kinder heute auch deshalb früher reif, weil wir sie mit unseren überbordenden Konsumgewohnheiten dazu bringen.

Autor: @tristessedeluxe

Hi, ich bin Tillmann Allmer, Digitalstratege aus Berlin. In diesem persönlichen Weblog notiere ich Alltagsbeobachtungen und was mich in der Welt interessiert. Erfahre mehr über dieses Blog. Für Updates folge mir auf Twitter, Instagram und Refind. Oder abonniere Pro2koll.de auf Facebook.

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