Wenn man im Regen in einem See badet, wie heute mit der Nachbarin, stört einen der Regen gar nicht mehr. Erst danach, wenn man in den nassen Klamotten den Weg zurück zum Auto nicht findet, dass wiederum könnte arg stören.
Weiss jetzt gar nicht mehr, wie genau wir drauf gekommen sind, jedoch musste ich direkt an die Kommentarkultur bei Bloggern oder Web2.0ern im Allgemeinen denken (ich glaube, wir kamen darauf, weil ich meinte, dass man bei Pro-Twitterern und -Bloggern nur dann Aufmerksamkeit erlangt, wenn man denen mal gehörig an den Karren fährt…).
Also, aufgemerkt: Die Liebste berichtete, dass sie seinerzeit im Urlaub in Südfrankreich eine anderes gelagerte Streitkultur beobachten konnte. Diese Streitkultur äußere sich beispielsweise darin, dass beim Dîner die Anwesenden äußerst höflich miteinander umgehen. Wenn etwa jemand am Tisch eine steitbare Meinung vertritt, wird diese aus Gründen der guten Atmosphäre nicht direkt aufgegriffen, sondern wohlwollend ausgeschwiegen. Gleichzeitig erwidere man seine eigene Meinung gegenüber anderen nur, wenn man direkt aufgefordert wird, diese zu äußern.
Etwa in der Art: Hohlkopf sagt, „alkoholfreies Bier kauf ich nicht. Nie nimmer, bäh so eine Caque!“ Daraufhin wird zunächst wortlos Rotwein nachgeschenkt. Hohlkopf weiter: „Wird mir immer übel von und bekommt man sicher auch Krebs von, HAHA! Oder, was denkst du?“ (und zeigt mit dem Finger auf die mit am Tisch sitzende Schwangere). Die so Angesprochene hat nicht direkt in der Rotweineinschenk-Pause das Wort ergriffen, um zu finden, dass das ja wohl überhaupt gar keine Caque sei, sondern eher der Hohlkopf eine hohle Nuss. Nun aber, aufgefordert ihre Meinung kundzutun, kann die Schwangere freundliche darauf hinweisen, dass alkoholfreies Bier superpraktisch sei, wenn man schwanger ist, das Baby besser nicht so viel Alkohol bekommen solle, man aber trotzdem mal Lust habe auf ein Bier.
Andererseits könne man auch derart unter sehr guten Freunden unterscheiden. Denen könne man nämlich immer direkt seine Meinung ins Gesicht sagen. Das werde von den Südfranzosen nicht als Affront verstanden, sondern viel mehr als Anerkennung und Auszeichnung der Freundschaft. Denn erst durch die direkte Reaktion, gerade wenn sie eine andere Meinung ist, wird die Tiefe der Freundschaft belegt. Die Meinung des Freundes ist einem so wichtig, auch und gerade wenn man eine andere hat, dass man direkt ohne Höflichkeistgedöns sich auf einen Disput einlässt.
Ich kenne die Franzosen kaum. Ich fahre ihre Autos nicht gerne und spreche ihre Sprache nur gerade so gut, dass ich mich im halbtrunkenen Zustand noch relativ fehlerfrei überall mit meinem Usernamen einloggen kann. Aber ich bin der Meinung – man hat ja eine Erziehung genossen – dass das so nicht nur die Südfranzosen handhaben, sondern dass durchaus gewissen Kreise es den Südfranzosen gleich tun, nicht zu vergessen die Etymologie von „höflich“. Und dass die Streitkultur der Liebsten nicht unbedingt… aber lassen wir das.
Im Internet liest man ja sehr, sehr viel Müll ab und an. Naja, um ehrlich zu sein: wenn man es drauf anlegt minütlich. Wäre also etwas arg viel verlangt, da immer gegen zu halten. Daher ignoriert man gelassen, schenkt sich selber vielleicht noch nach und klickt zielstrebig weiter. Anders jedoch bei Blogs, Friends und Follwoern, die man gerne liest, denen man sehr zugeneigt ist. Boah, da könnte man manchmal echt einen Flamewar vom Zaun brechen. Die Südfranzosen lehren: Allez, accouche! Denn wenn ein Blogleser sich schon die große Mühe macht, sich da erstmal als User einzuloggen, und seinen noch unsortierten Unmut zu Worte zu bringen, dann bedeutet dass gleichzeitig eine gewisse Anerkennung des Blogs, oder des Bloggers. Macht man ja schließlich nicht einfach überall wo es geht. Nur so’n Gedanke. Fahre ab jetzt evtl. mal wieder meinen Lieblings-Bloggern an Karren.