Die Begeisterung, mit der sich Cinephile mit Film und Kino beschäftigen und darüber schreiben, lässt mich immer wieder erblassen. Und im selben Atemzug merke ich, wie zurückhaltend meine Begeisterung nicht nur gegenüber Filmen, sondern vielen Dingen im Leben überhaupt gestaltet ist. Eines der Weblogs, das mich 2003 überhaupt zum Bloggen gebracht hat war das Filmtagebuch von thgroh, damals noch auf blogspot.com. Ich hatte gerade das Studium der Filmwissenschaft erfolgreich abgeschlossen, er fing das selbe Studium gerade erst an und mit eine Mischung aus Neid und Respekt zog ich den Hut vor seinen Filmbesprechungen. So stark war bei mir der Filmfreak zu keinem Moment meines Studiums durchgebrochen.
Ich komme darauf zu sprechen, weil ich gerade etwas Zeit hatte, mich durch das Online Dossier
Internet (1): Weblogs, YouTube und Cinephilie aus dem April 2009 des filmwissenschaftlichen Projektes Kunst der Vermittlung: Aus den Archiven des Filmvermittelnden Films zu lesen. Darin geht es um die Gattung des filmvermittelnden Films und in welchen Formen diese Gattung im Internet auftaucht. Vor allem wird darin auf Kevin B. Lee zurückgegriffen, der mit seinem Filmblog und auf seinem YouTube Account mit neuen Formen und Möglichkeiten der Online-Filmkritik experimentiert. Als Gastautor von Kunst der Vermittlung, schreibt er über seine Erfahrung mit seinem Blog und dem Web2.0-Phänomen, dass der Zuschauer zum Produzenten wird:
On the topic of public vs. private, I should comment on the controversy over my videos that occurred at the start of 2009 when YouTube temporarily suspended my account after receiving complaints of copyright violation by a few corporations whose films I had showcased in my videos. Thanks to an outcry among my peers and the digital rights community over my right to distribute the videos under the provisions of fair use law, I was able to successfully counter the complaints and regain my account. I want to make clear that I support the right of artists to maintain their copyright and be rewarded for their work; if anything, my videos are produced with the intent of celebrating and promoting the work of these artists. It is clear from visiting the the many user-created videos on YouTube or other video sites that we have quickly entered a new era of cultural production where the audience has as much means to create as the artists, leading to a more open and perhaps even more democratic means of creative exchange. Parties who wish to profit in today’s world, whether they be individual artists or corporations, have to acknowledge this new reality, and learn that they probably have more to gain from learning how to embrace and harness its energy rather than resisting or surpressing it. (Kevin B Lee: The Viewer as Creator) Dass es selbst bei diesen eher filmdiskursiven, filmkritischen Videoformaten Anfang 2009 zu Urheberrechtsklagen kam, finde ich ziemlich bezeichnend für unsere Zeit des kulturellen Wandels, in der selbst alt hergebrachte Fair-Use-Regelungen für Bildung, Lehre und Wissenschaft von kommerziellen Interessen aufgebohrt werden. Wenn es jene Menschen nicht gäbe, die sich ausführlich mit einem künstlerischen Inhalt beschäftigen, ihn Kontextualisieren und in Diskurse verpacken, gäbe es keine Kulturgeschichte. Und gäbe es keine Filmfreaks, die mit allen ihren Mitteln versuchen über und mit Filmen zu kommunizieren, gäbe es keine Filmgeschichte (und somit kein Interesse an den Backlisten der Filmdistributionen).
Mit ähnlicher Begeisterung für Filmgeschichte scheinen mir die Betreiber der Webseite They Shoot Pictures, Don’t They? ausgestattet, die ein Ausgangspunkt für Filminteressierte ist, welche sich tiefergehend mit weiteren Filmen eines Regisseurs oder eines Genres und relevanter Literatur darüber informieren wollen. Eines der Projekt von They Shoot Pictures, Don’t They? ist die web-zwei-nullige Filmempfehlungsseite iCheckMovies. Dort wird mit einem Kanon der 1.000 besten Filme aufgeboten aus den Empfehlungen von Filmkritikern, Filmwissenschaftlern, Filmemachern und ähnlich gearteter Personen. Vom Nutzen ein wenig vergleichbar mit der deutschen Seite moviepilot.de. Und in der Kanonisierung von Filmgeschichte wohl ähnlich wie die New York Times mit ihrer langen Liste mit Links zu den in der New York Times erschienen Filmkritiken: The 1,000 Best Movies Ever Made.
Vielleicht finde ich sie ja wieder, diese leise Begeisterung für Filme, die ich einmal hatte und die irgendwann auf dem Weg vom Hobby zum Beruf sich angewöhnt hat, sich wie ein scheues Reh zu verhalten.