Folgend meine Berlinale-Filme vom Dienstag, 16.2.2010. Zufällig alles Filme, in denen soeben aus der Haft Entlassene die Handlung motivieren.
Schwerkraft
Deutschland, 2009 – Regie: Maximilian Erlenwein (Gewinner Max Ophüls 2010)
Der Gewinner des Max Ophüls Preises 2010 ist fast ein deutscher „American Psycho“ – würde ich gern schreiben wollen. Aber der Film ist weit eigenständiger, um diese Behauptung halten zu können. Der Film erinnerte mich nur am Anfang an den sauber-blutrünstigen Psychopaten: Ein junger Bankangestellter entwickelt einen Hang zu Gewalt und Kriminalität nachdem sich vor seinen Augen ein Kreditkunde erschießt. Zufällig trifft er auf einen alten Freund, der gerade nach sieben Jahren aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Zusammen leben sie ihre dunkle Seiten aus, brechen in Häuser von Bankkunden ein und aus dem anfänglichen Kick der Grenzüberschreitung wird eine Gewaltspirale, aus der der Bankangestellte nicht mehr heraus kommt. Eine stringent erzählte Geschichte mit guten, auch lustigen Dialogen und rundum gut inszeniert. Man sieht dem Film das Spielfilmdebüt nicht an.
Danach ca. 20 Minuten „Wüstenblume“ gesehen. Schlimm gefunden, raus gegangen.
Im Schatten
Deutschland, 2010 – Regie: Thomas Arslan
Trotz seiner Ruhe ein sehr intensiver, spannender Film, der das Augenmerk auf die Längen eines Verbrecheralltags legt. Die Hauptfigur wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und kehrt umgehend in sein kriminelles Metier zurück. Er besorgt sich eine Waffe und hält Ausschau nach neuen Jobs. Ich finde, der Programmtext der Berlinale trifft es ganz gut:
„Mit wenigen Einstellungen etabliert Thomas Arslan die anonyme Welt seiner Gangsterfigur, indem er auf die Motive und Figuren des Genre-kinos zurückgreift. Das Hinterzimmer einer Autowerkstatt, Parkplätze, möblierte Wohnungen. Man trifft auf Männer und Frauen, die einander misstrauen, weil jeder nur in die eigene Tasche wirtschaftet. Permanente Schauplatzwechsel, Observations- und Verfolgungsszenen sorgen für einen dynamischen Erzählrhythmus. Da für Trojan das Verbrechen Alltag ist, konzentriert sich der Film ganz auf die handwerklichen Aspekte einer Arbeit jenseits der Legalität. Die reduzierten und messerscharfen, mit einer Red-Kamera aufgenommenen Bilder heben die exakten Abläufe der Aktion hervor.“
Wenn der „Tatort“ so inszeniert wäre, würde ich immer „Tatort“ sehen. Wie komm ich drauf? Merkwürdiger Weise ist das Kriminelle im Deutschen Film so überbelastet mit Motiven und Klischees, das man selbst bei einem guten Verbrecherfilm immer wieder sich in einer Fernsehinszenierung wähnt. So ging es mir jedenfalls stellenweise, auch und obwohl der Film weit darüber hinausragt.
Winter’s Bone
USA, 2010 – Regie: Debra Granik
Bislang ist dieser Film mein Berlinale-Liebling. In einer Blockhütte in den Wäldern der Ozark Mountains lebt die siebzehnjährige Ree mit ihren zwei Geschwistern und einer psychisch kranken Mutter. Ree sucht ihren Vater, der Crack herstellt, auf Kaution aus dem Gefängnis raus und untergetaucht ist. Doch die Suche gestaltet sich als schwierig, denn die Outlaw-Gemeinschaft in den Wäldern hütet ein Geheimnis. Der Film zeigt ein rurales Armutsamerika, eine Gemeinschaft mit ganz eigenen archaischen Gesetzen und ist dabei ein moderner Western. Dieses ländliche Armutsamerika wird aber nicht ausgestellt, sondern fungiert eher als dokumentarisches Setting. Es ist eine in der Wirklichkeit verankerte, klassische Geschichte um eine Heldin, die über sich selbst hinaus wächst.